Frank Soltis über
Vergangenheit und Zukunft
der AS/400
Prof. Dr. Frank Soltis, freier Mitarbeiter der IBM und außerordentlicher Professor an der Fakultät für Electrical Engineering der Universität von Minnesota, USA, hielt auf der Common Deutschland Jahreskonferenz (25. – 27. November 1996 in Göttingen) einen vielbeachteten Vortrag über die Zukunft der IBM AS/400. Frank Soltis, bisweilen als „Vater der AS/400“ bezeichnet, hatte, aufbauend auf seiner Dissertationarbeit, das Grundkonzept einer neuen Computertechnologie mit einstufigem linearen Seicher („Single-Level Addressability“) und vertikalem Maschinencode („High-Level Machine Interface“) definiert. In Rochester wurde dieses Konzept als IBM System/38 realisiert und später in der IBM AS/400 verfeinert.
Those were the days . . .
Viele DVler, die früher dem System/38 und heute der AS/400 verbunden sind, kennen das Auf und Ab, das das Ansehen der AS/400 in den vergangenen Jahren über sich ergehen lassen mußte. Gegen Ende der ersten Hälfte der 80er Jahre schien der Niedergang der /38 eingeläutet, als IBM-interne Entscheidungsprozesse dem System keine Chance mehr geben wollten. 1988 wurde dennoch das IBM Anwendungssystem /400 als legitimer Nachfolger der /38 und als Migrationspfad für die anderen /3x Systeme auf den Markt gebracht. Mit modernerer oder zumindest zeitgemäßer Technik, wie 19″ Zoll-Einschüben, Schaltnetzteilen (die empfindlicher auf Spannungsschwankungen reagierten als die herkömmlichen Netzteile), neuen Platten, Bandgeräten und Bildschirmen löste die AS/400 nach und nach den Bestand der IBM Systeme /38 ab, nicht aber die Vielzahl der Systeme /36. Die AS/400 wuchs und gedieh, von Insidern als das stabilste und am einfachsten administrierbare DV-System der mittleren Datentechnik eingestuft.
Der kurze Erfolg der AS/400 !?
Dennoch schien der Untergang der AS/400 Anfang der 90er Jahre mit der Propagierung „nicht proprietärer“ UNIX-Systeme unausweichlich. Auf der Gardner Group International Conference 1993 wurde die AS/400 als ein „nicht für die Zukunft zu empfehlendes“ System gebrandmarkt. Grundlagen der damaligen Empfehlung waren, wie schon häufig in der von Modetrends regierten Computerwelt, nicht die technischen Qualitäten eines Computersystems, nicht das Gesamt-Kosten/Nutzen-Verhältnis, sondern die von den Computermedien geforderte „Offenheit der Systeme“, gleichbedeutend mit Herstellerunabhängigkeit bei Hard- und Software. Vordergründiges Nebenargument waren die durch den offenen Markt gedrückten, niedrigeren Kosten für Hard- und Software. Drei Jahre später lesen sich die Prognosen ganz anders. Die offenen Systeme haben sich als problematische Anhäufung längst nicht so offener und nur bedingt kompatibler Komponenten herauskristallisiert. Ein einzelner PC, als typisches Beispiel eines offenen Systems, erzeugt in drei Jahren Vollkosten von mehr als 15.000 DM, verdeckten Supportaufwand eingerechnet.
Drei kommen durch . .
Die „SEHER“ der Gardner Group Conference 1996 prophezeien heute nur drei Systemen der gesamten Computerbranche ein Überleben über das Jahr 2000 hinaus. Dies ist zunächst einmal Windows NT, das, zumindest in der Medienpresse, eine Hoch-Zeit erlebt und möglicherweise als erstes für den professionellen Einsatz ausreichend stabiles Microsoft PC-Betriebssystem den Markt der Abteilungs- und Workgroup-Rechner übernehmen wird. Das zweite „System“ ist Unix in einer erheblich reduzierten Angebotsvielfalt und mit schrumpfenden Marktanteilen. Tatsächlich werden nur die wenigsten Hard- und Software-Anbieter in diesem Markt überleben. Und das dritte System ist, welch eine Überraschung, die AS/400. Und der AS/400 Markt soll noch weiter wachsen und zwar auf Kosten des UNIX- und des Windows-NT-Maktes.
Wer sich nicht anpaßt, stirbt aus!
Die Meinungsänderung der Analysisten ist beachtlich, aber durchaus nachvollziehbar, wenn man die Geschichte des Überlebens oder Nichtüberlebens von Computersystemen betrachtet. In den 80er Jahren (dieses Jahrhunderts!) gab es ein dominierendes Computersystem in der mittleren Datentechnik: die VAX von Digital Equipment Corporation (DEC). In jenen Jahren traten die meisten Hersteller mit dem Anspruch an, einen „VAX-Killer“ auf den Markt zu bringen. Die einzige Maschine, die dieses Ziel erreichte, war die 1988 erschienene IBM AS/400. Dies war jedoch nicht einem äußerlich erkennbaren Technologievorsprung zu verdanken, sondern vielmehr der Tatsache, daß es DEC nicht gelang, die VAX-Technologie, insbesondere die basierende Hardware, den Erfordernissen der Zukunft anzupassen und den Kunden einen gleitenden Übergang zu einer neuen Prozessortechnik zu bieten. DEC entwickelte den Alpha- Prozessor, schuf eine neue Computerserie und gab einen großen Teil des VAX-Marktes auf, der dann von der AS/400 besetzt wurde. Einem anderen Hersteller, Hewlett Packard, erging es ähnlich. Die HP 3000 hatte eine beträchtliche Verbreitung. Als dann der UNIX-Trend kam, postulierte HP ihre HP 9000, teilte aber gleichzeitig ihren HP 3000 Kunden mit, daß eine einfache Migration auf das neue System nicht möglich sei. Als Folge wechselte auch hier ein erheblicher Teil dieser HP 3000 Kunden zur AS/400. Zwischenzeitlich ist HP mit Intel ein Joint-Venture eingegangen, mit dem Ziel einen neuen Prozessor zu entwickeln. Was aber ursprünglich als Intel-Unterstützung für einen HP-Prozessor ausgelegt war, hat sich heute zu einem Intel-Prozessor als Basis für die zukünftige HP-Computertechnik entwickelt. Und voraussichtlich wird es wieder keinen einfachen Migrationspfad, diesmal für die HP 9000 Kunden, geben.
Das unbemerkte Wachstum der AS/400
Anders im Bereich der AS/400. Schon zu /38er Zeiten wurde von einer 8-Bit auf eine 16-Bit Prozessortechnologie gewechselt. Kein Kunde hat dies je gemerkt. (Nicht zuletzt, weil die 8-Bit-Technik nur in Vor- und Erstserienmodellen eingesetzt wurde!) Aber auch der Wechsel auf die 32-Bit-Technik erregte kein Aufsehen. Er galt als selbstverständlich, denn es gab bereits 32-Prozessoren in Klein-Computern. Daß heute der Wechsel auf die 64-Bit-Risc-Technik des PowerPerformance-Chips so publik wurde, hat nur mit Marktschreierei (sprich „Marketing“) zu tun. Der Aufwand für die Migration von CISC auf RISC ist zwar, nach AS/400-Maßstäben, sehr viel größer als bei anderen Hard- oder Software-Sprüngen, aber letztlich problemlos durchführbar. Und welcher AS/400-Betreiber macht sich schon Gedanken, ob die bisherigen Anwendungen auf RISC-Maschinen laufen?! Natürlich, selbstverständlich laufen sie.
„Geplant für die Ewigkeit!“
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