Digital Policing: Das große Potenzial Sozialer Medien

12. Juli 2018 | Von | Kategorie: Security, Strategische Berichte, Wissenschaft und Forschung

Die Digitalisierung hat längst den öffentlichen und damit auch den polizeilichen Sektor erreicht. Die Notwendigkeit von Digital Policing ist verschiedenen Umständen zuzuschreiben. Zum einen finden Straftaten nicht mehr ausschließlich in der physischen, sondern auch zunehmend in der digitalen Welt statt und zum anderen liefert die digitale Welt einen erheblichen Beitrag für die Kommunikation zwischen Polizei und Bevölkerung und für die Ermittlungsarbeit von in der Realwelt stattfindenden Straftaten.

von
Marvin René Zielaskowski,
Gregor Sultanow,
Jan Christian Selke

Dieser Artikel gibt einen Überblick der Einsatzpotenziale Sozialer Medien durch die Polizei und stellt ihre Motivation, deren Notwendigkeit und den Ist-Zustand dar.

Soziale Medien als polizeiliches Kommunikations- und Analyseinstrument

In sozialen Medien können Nachrichten, Informa­tionen und Meinungen unmittelbar und in Echtzeit verbreitet werden, sie lösen die Einwegkommunikation ab und erreichen ein größeres Publikum (International ­Association of Chiefs of Police, 2013). Soziale Medien bieten Schnittstellen zu allen polizeilichen Aufgabengebieten und stellen der Polizei Möglichkeiten bereit, um u. a. in Kontakt mit der Öffentlichkeit zu treten und mit ihr zu interagieren, wichtige Informationen schnell und einfach zu veröffentlichen und die Informationsbeschaffung und die Ermittlungsarbeit zu unterstützen (Police Foundation, 2014). Dem Einsatz von Social Media durch die Polizei wird eine sehr große Bedeutung zugeordnet und die Nutzung von Social Media wird eine Kernkompetenz des Digital Policing bilden.

Die Arbeit von G. Sultanow (2017) befasst sich detailliert mit den Ursachen, die eine Verwendung ­sozialer Medien als polizeiliches Kommunikationsinstrument begründen. Mit Bezug auf Rüdiger (2017), Bayerl und Rüdiger (2017), und auf das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2017) fasst diese Arbeit die Motivationen und Vorteile einer Nutzung sozialer Medien als polizeiliches Kommunikationsinstrument zusammen. Das Internet selbst bietet als „leitendes Medium zum Bürokratieabbau“ diverse Vorteile für die polizeilichen Regelaufgaben. Es gibt sieben wesentliche Akteure und Initiativen zum polizeilichen Umgang mit sozialen Medien (Abbildung 1).

Abbildung 1: Akteure im polizeilichen Umgang mit sozialen Medien

So nutzt die European Union Agency for Law Enforcement Training (CEPOL) soziale Medien zu Rekrutierungs- und Schulungszwecken, die International Association of Chiefs of Police (IACP), die Londoner Metropolitan Police Service und das Internet Crime Compliant Center (IC3) haben ihren Schwerpunkt auf die Ermittlungsarbeit gelegt sowie auf die Bekämpfung von Kriminalität, vor allem von Cyber-Crime (Federal Bureau of Investigation, 2014). Das COMPOSITE Project liefert Best Practices „für die Adaption sozialer Medien durch die Polizei, wobei sich diese Adaption nicht nur auf investigative, sondern auch auf die kommunikativen Aufgaben bezieht“ (Denef, Kaptein, Bayerl, & ­Ramirez, 2012):

„While there are many different and specific ways of using social media for policing beyond an information source for investigations, they can be framed under the general concept of using social media as a communication tool with the public and thereby establishing a police presence and voice on social media.“

Ausgehend von den Wirkungen ergibt sich das in Abbildung 3 beschriebene Wirkungsmodell. Social-Media-Maßnahmen wirken dabei einerseits auf das soziale Medium selbst und andererseits auf die reale Welt. Die Länder sind entsprechend ihrer kausalen Wirkungsreichweite in einem der vier Quadranten positioniert. Einer großen Follower-Anzahl der isländischen Polizei, einer unmittelbaren, ausschließlich digitalen Kennzahl stehen realweltbezogene Größen, wie erhöhte Festnahmenzahlen oder rückgängige Kriminalitätsraten, in Spanien, den Niederlanden oder Deutschland gegenüber. Mittelbare, digitale Maßnahme sind etwa die Veröffentlichung von Musikvideos mit Verhaltens­aufrufen in Schweden, zu denen bisher keine Auswirkungen in der realen Welt festgestellt werden konnten. Ergänzend für die deutsche Polizei sieht Rüdiger eine der wesentlichen zu erzielenden Wirkungen in der Erhaltung der Kommunikationshoheit im Krisenfall (Quasdorf, 2016). Siehe Abbildung 3.

Fazit

Wir haben in diesem Artikel gezeigt, dass die Digitalisierung des öffentlichen Sektors auch die Polizei erreicht hat, und zwar bei der polizeilichen Kommunikation in den sozialen Medien. Drei Aspekte haben wir dabei betrachtet: die Notwendigkeit, den Status Quo (und die damit verbundenen Potenziale) sowie die Wirkung. Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit polizeilicher Arbeit in den sozialen Medien ist – wie in diesem Beitrag erwähnt – längst durch diverse Studien (insb. durch die COMPOSITE Studie) bewiesen. Kurzum kennzeichnet sich die Notwendigkeit darin, dass die Bürger über soziale Medien viel erreichbarer geworden sind und dass (wie der IC3-Report zeigt) Kriminalität längst Einzug in die sozialen Medien gewonnen hat. Um den Status Quo zu erheben und die Potenziale daraus ableitbar zu machen, haben wir uns die ­gegenwärtige Lage in Europa angeschaut und in einer Übersicht dargestellt. Offensichtlich ist, dass die Potenziale insbesondere in Deutschland noch längst nicht ausgeschöpft sind und sich an den Beispielen für polizeiliche Arbeit in den Nachbarländern orientiert werden kann. Es gibt keine offiziellen Belege dafür, dass Deutschland seine Maßnahmen als Best Practice von anderen Ländern übernommen hat, jedoch kann man die USA als Trendsetter ansehen – wenn man die Liter­aturquellen und Nachrichtenhistorie im Web betrachtet. Die Wirkungsweise der Maßnahmen in den einzelnen Ländern ist stark verschieden – einige wirken sich in der Digitalwelt und andere (wie beispielsweise in Spanien und Niederlande) sogar auf die Realwelt aus.

Über die Autoren

Marvin Zielaskowski

Marvin Zielaskowski

marvin.zielaskowski (ät) capgemini.com

Marvin Zielaskowski ist Unternehmensarchitekt bei Capgemini. Er schrieb seine Masterarbeit über die Digitalisierung der Polizei in Deutschland und ihre Auswirkungen auf die Polizei-Architektur. In seinem aktuellen Projekt befasst er sich mit der Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung.

 

 


Gregor Sultanow

Gregor Sultanow

Gregor.Sultanow (ät) lichtenberg.berlin.de

Gregor Sultanow hat an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin „Public Management“ studiert und befasste sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit sozialen Medien als polizeiliches Kommunikationsinstrument. Er arbeitet beim Bezirksamt Lichtenberg im Amt für Soziales.

 

 


JanSelke

Jan-Christian Selke

jan-christian.selke (ät) capgemini.com

Jan Selke ist Unternehmensarchitekt bei Capgemini. Er blickt auf eine mehr als fünfzehnjährige Projekterfahrung als Berater im Öffentlichen Sektor zurück, mit aktuellem Fokus auf die Themen Öffentliche Sicherheit und Verteidigung.

 

Literatur

Bayerl, S. P., Rüdiger, T. G. (2017). Die polizeiliche Nutzung sozialer Medien in Deutschland: Die Polizei im digitalen Neuland, in J. Stierle, D. Wehe, H. Siller (Hrsg.): Handbuch Polizeimanagement Polizeipolitik – Polizeiwissenschaft – Polizeipraxis, Recklinghausen, Nordrhein-Westfalen Deutschland, S. 919-943.

Denef, S., Kaptein, N., Bayerl, P. S., Ramirez, L. (2012). Best Practice in Police Social Media Adaptation, in: Composite Project: https://www.fit.fraunhofer.de/content/dam/fit/de/documents/COMPOSITE-social-media-best-practice.pdf, abgerufen am 11.01.2018.

International Association of Chiefs of Police. (Januar 2013). Publications – IACP Social Media. Abgerufen am 7. Juli 2017 von IACP Center for Social Media: http://www.iacpsocialmedia.org/wp-content/uploads/2017/01/Social-Media-Fact-Sheet-1.pdf

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2017). Digitale Verwaltung 2020, Digitalisierung der Verwaltung voranbringen: https://www.bundesregierung.de/Conten/DE/Artikel/2017/05/2017-05-17-evaluierung-regprogramm-dig-verw-2020.html, abgerufen am 11.01.2018.

Police Foundation. (Juni 2014). Police use of social media | . Abgerufen am 7. Juli 2017 von Police Foundation: http://www.police-foundation.org.uk/publications/briefings/police-use-of-social-mediapolizei-hamburg.de (2018): Das Socal Media-Team, https://www.polizei.hamburg/social-media-team/, abgerufen am 21.01.2018.

Quasdorf, A. (2016). Terror: Warum Social Media für die Polizei jetzt so wichtig ist. Neue Westfälische, http://www.nw.de/blogs/games_und_netzwelt/21517923_Terror-Warum-Social-Media-fuer-die-Polizei-jetzt-so-wichtig-ist.html, abgerufen am 22.01.2018.

Rüdiger, T. G. (2017). Das Broken Web?, LinkedIn: https://www.linkedin.com/pulse/broken-web-thomas-gabriel-rüdiger, abgerufen am 11.01.2018.

Sultanow, G. (2017). Nutzung sozialer Medien als polizeiliches Kommunikationsinstrument – Eine Potenzial- und Wirkungsanalyse ausgewählter Einsatzbereiche. Bachelorarbeit, Public und Nonprofit-Management, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

van de Brink, P., Broekman, C., Rijken, M., Oggero, S., Verburgh, T., de Vries, A., Coaffee, J., Hadjimatheou, K., Dekker, R., Denef, S., Fontanille, E., de la Torre, P., Kermitisis, E., Moustakidis, N., Mytts, D., Tani, K. (2016). MEDIA4SEC, Report on State of the Art Review: http://media4sec.eu/downloads/d1-1.pdf, abgerufen am 11.01.2018.

Zydorek C., Hosseiny S. (2012). Social Media Recruiting bei der Polizei Niedersachsen. In: Schulten M., Mertens A., Horx A. (Hrsg.) Social Branding. Wiesbaden, Deutschland: Gabler.

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