Urheberrecht in heißer Phase

23. März 2021 | Von | Kategorie: Strategische Berichte

Bis 7. Juni des laufenden Jahres haben die EU-Staaten Zeit die umstrittenen Regeln des im Juni 2019 in Kraft getretenen EU-Erheberrechts in nationales Recht umzusetzen. Angesichts der in Deutschland wieder stark aufgeflammten Covid-19 Inzidenz nimmt diese Tatsache, die das private und wirtschaftliche Leben in Deutschland künftig stark beeinflussen wird, nur eine Hinterbank im Bewußtsein der Deutschen ein.

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Die EU-Mitgliedstaaten Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen, Finnland und Schweden hatten gegen die Reform gestimmt. Belgien, Estland und Slowenien enthielten sich. Deutschlands Zustimmung war letztlich das Zünglein an der Waage und für die notwendige Mehrheit ausschlaggebend. Schon 2019 hat Polen gegen die umstrittene EU-Richtlinie zum Urheberrecht vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg Klage einge­reicht. Auch die verfassungsrechtlichen Aspekte sind noch nicht geklärt, aber die deutsche Bundesregierung setzt den ursprünglich eingeschlagenen Kurs unbeeindruckt und eilig fort – entgegen dem von Deutschland im EU-Protokoll angekündigten „überwiegenden Verzicht von Uploadfiltern bei der Umsetzung“.

von Isabella Pridat-Zapp

Deutsche Amtsstube im Internet

Die Piratenpartei erinnert daran, wie die Bevölkerung, Fach-Organisationen und betroffene Unternehmen schon vor Jahren auf die geplante EU-Richtlinien reagiert haben: Mitte 2020 kommentierte der politische Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland Daniel Mönch:

„Die Proteste gegen die Urheberrechtsreform und insbesondere den Artikel 13 sind inzwischen mehr als ein Jahr her. Damals waren Zehntausende auf der Straße, um zu verhindern, was jetzt passiert: Die Anpassung des Internets durch die europäische Bürokratie an Verwertungsstrukturen aus dem letzten Jahrtausend. Gerade diese Strukturen und gesetzlichen Vorschriften waren dafür verantwortlich, dass sich in Europa kaum relevante Internetkonzerne entwickeln konnten. … Durch Pre-Flagging, also das Markieren der Inhalte durch den Nutzer, soll sichergestellt werden, dass keine legalen Inhalte durch Uploadfilter blockiert werden. Dieses Konzept ist nur in der Theorie praktikabel, in der Realität wird es vermutlich dafür sorgen, dass sich ein Besuch im Internet bald wie der Besuch in einer deutschen Amtsstube anfühlen wird….Wir fordern Justizministerin Lambrecht auf, diesen Entwurf zurückzuziehen und Uploadfilter aus dem Text zu entfernen.“

Bedrohung für kleine Verlage, Autoren und Internetnutzer

Von Anfang an kritisierte zum Beispiel der Verband der Internetwirtschaft, dass die Richtlinie das genaue Gegenteil des offiziell beabsichtigten Zieles bewirken werde: „Die Urheberechtsreform ist eine reale Bedrohung für kleine Verlage, Autoren und Internetnutzer gleichermaßen und birgt die Gefahr, das Internet, wie wir es kennen, für immer zu verändern. Statt der eigentlichen Urheber werden am Ende dabei nur die großen Plattformen, Verwertungsgesellschaften und Presseverleger profitieren.“ Der Verband der Internetwirtschaft (eco) wies vor allem auf folgende Aspekte hin:

Wiedergabe von Zitaten etc. sowie Ausnahme kleiner Diensteanbieter

Im Zusammenhang mit dem vom Bundesminister­ium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Juni 2020 veröffentlichten Diskussionsentwurf für ein zweites Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts (Urh-DaG-E), mit dem auch der umstrittene Art. 17 der EU Urheberrechtsreform (DSM-RL) in deutsches Recht umgesetzt werden soll, kommentierte eco:
„eco befürwortet die Klarstellung der zulässigen Wiedergabe von Zitaten sowie Karikaturen, Parodien und Pastichen sowie die Ausnahme von kleinen und ­Start-up Diensteanbietern.“

Deutschland weicht von bekundetem Uploadfilterverzicht ab

Für eco bleibt der Entwurf damit deutlich hinter der Ankündigung in der Protokollerklärung zum Ratsbeschluss zurück, bei dem Deutschland einen überwiegenden Verzicht von Uploadfiltern bei der Umsetzung bekundet hat. Zudem liegen die Entscheidung, ob Inhalte erlaubt sind oder nicht, und die entsprechende Verantwortung weiterhin beim Betreiber, der sich dem Risiko von Unterlassungs- und Schadensersatzklagen ausgesetzt sieht und das Kostenrisiko etwaiger gerichtlicher Verfahren tragen muss.

Grundrechte

Dazu sagte eco Vorstandsvorsitzender Oliver J. Süme:
„Auch, wenn der Vorschlag des BMJV durchaus erkennen lässt, dass das Ministerium um einen Interessenausgleich zwischen den Betroffenen ernsthaft bemüht ist, konzentriert er sich weiterhin zu stark auf Zwangslizenzen. Bis deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten endgültig geklärt ist, könnten noch Jahre vergehen, in denen sich das Internet, so wie wir es heute kennen und nutzen, durch seine Umsetzung grundlegend verändern könnte. Es braucht eine unmissverständliche Absage für Uploadfilter!“

Im Dezember 2020 begann die heiße Phase im Bundeskabinett

Im Dezember 2020 wurde der Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrecht-Richtlinie bereits im Bundeskabinett verhandelt, dann wird der Entwurf in den Bundestag eingebracht. eco sieht den Entwurf nach wie vor sehr kritisch: Die geplanten Regelungen gefährden aus Sicht des Verbands die digitale Innovationskraft Europas, ohne zu mehr Fairness bei der Nutzung geistigen Eigentums im Netz zu führen. Ferner lähme die Bundesregierung die Meinungsfreiheit und Vielfalt der Plattformen.

Eco: Gänzlich falscher Ansatz

Bezüglich der Regeln für das Teilen von Online-Inhalten kritisiert eco zudem, dass die konsequente Umsetzung faktisch nur mit Upload-Filtern funktioniert. „Ob zu wenig oder zu viel gesperrt wird, die Haftung trifft immer die Diensteanbieter, die binnen Sekunden über die im Urheberrecht meist sehr komplexen Sachverhalte entscheiden müssen – meiner Meinung nach der gänzlich falsche Ansatz“ so Süme weiter. „Nur die Justiz – nicht private Anbieter und Unternehmen – ­sollte entscheiden, was Recht und was Unrecht ist.“

Was soll man davon halten

Zum Abschluß dieser seltsamen Fakten-Sammlung – seltsam im Sinne von „Was soll man von dieser Gesetzgebung halten?“ – noch eine Befürchtung von Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland, die vielleicht eine Antwort auf diese Frage anbietet:
„Nach wie vor ist ein Teil des Entwurfs, dass Internetplattformen Uploadfiltersysteme vorhalten, um eingehende Inhalte zu analysieren und bei Bedarf blockieren zu können. Wir halten den Aufbau einer solchen Infrastruktur nach wie vor für sehr bedenklich, da sie mit wenigen Änderungen zur Zensur eingesetzt werden kann. Politiker müssen, was solche Entwicklungen angeht, besonders wachsam sein und diese verhindern, wann immer es möglich ist.“

Weiterführende Informationen

Die Zeit, Nr. 04/2021, 21. Januar 2021
Interview: Heinrich Wefing und Uwe Jean Heuser
Im Gespräch: „FAZ“-Herausgeber Carsten Knop und YouTuber Rezo https://www.zeit.de/2021/04/rezo-carsten-knop-eu-urheberrecht-reform-faz-youtube-uploadfilter?utm_referrer=https%3A%2F%2Fduckduckgo.com%2F

 

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