25 Jahre System i Markt, Teil 2

10. November 2008 | Von | Kategorie: Strategische Berichte

Ein Internet-Artikel aus der NEWSolutions mit NEWSabo plus Zugang: Wenn Sie die Gelegenheit erhielten, IBM den Weg der letzten 25 Jahre erneut beschreiten zu lassen und dabei Entscheidungen anders zu treffen oder verpasste Chancen zu nutzen, was würden Sie vorschlagen?

von Wayne Madden

Eine der Ideen, die ich zum 25-jährigen System i Jubiläum in Erwägung zog, war eine Round-Table-Diskussion einiger langjähriger Partner in der Anbietergemeinde des System i Marktes. Mir war allerdings klar, dass eine wirkliche Zusammenkunft wohl außerhalb der gegebenen Möglichkeiten lag. So erstellte ich also eine Website mit einem privaten Forum und versandte Einladungen an eine ganze Reihe von Personen, von denen ich annahm, dass sie teilnehmen würden. Sie alle haben über einen längeren Zeitraum großartige Unterstützung für diesen Markt geleistet. Ich stellte einige wenige Fragen und bat die Gruppe um ihre Stellungnahmen, die Sie nachfolgend lesen können. Teil 1 des Beitrages ist in NEWSolutions, Ausgabe Dezember 2007 erschienen.

Wenn Sie die Gelegenheit erhielten, IBM den Weg der letzten 25 Jahre erneut beschreiten zu lassen und dabei Entscheidungen anders zu treffen oder verpasste Chancen zu nutzen, was würden Sie vorschlagen?

Eric Figura: Die absolute Nummer 1 auf der Liste der Dinge, die ich IBM für eine andere Handhabung ans Herz legen würde, ist das Marketing für den stabilsten und sichersten Server im Markt – das System i. Ich bin sicher, dass heute eine erheblich größere installierte Basis existieren würde, hätte IBM bereits vor 10 Jahren seine Marketingmaschinerie hinter das System i gestellt. Diese größere installierte Basis würde das System i noch attraktiver für Lösungsanbieter und neue Kunden machen.

Raul Christian Aguirre: Mir erschiene als wichtigste Änderung in der Vergangenheit, Lou Gerstner dazu zu bringen, mehr Vertrauen in die AS/400 als in OS/2 aufzubringen und die (verlorenen) Marketing-Millionen besser in die AS/400 als in OS/2 zu investieren, ein Betriebssystem, das niemals in der Lage war, die Marktposition der AS/400 auch nur annähernd zu erreichen. Ich erinnere mich, dass Lou Gerstner von der AS/400 als „ehrwürdiges Arbeitspferd“ sprach. Nicht unbedingt eine Produktbezeichnung, die Begeisterung aufkommen ließ.

Bill Langston: Einen der größten Fehler machte IBM zu Beginn der 90er Jahre, als die steigende Attraktivität graphischer Benutzerschnittstellen im Enterprise Software Markt schlichtweg ignoriert wurde. IBM wartete viel zu lange damit, AS/400 Entwicklern Tools bereitzustellen, mit denen sich Anwendungen mit modernen Oberflächen erstellen ließen. Die Unfähigkeit, eine eigene graphische Benutzerschnittstelle zu bieten, machte es in den 90er Jahren zunehmend schwierig, mit anderen Plattformen zu konkurrieren. In dieser Zeit wechselten viele Software-Entwickler mit AS/400-Hindergrund zu anderen Plattformen, weil sie es leid waren, fortwährend den „Look and Feel“-Krieg mit erheblich weniger ausgereiften Plattformen zu verlieren. Als IBM dann eine stimmige Strategie für den Übergang von Enterprise Software in Web anbot, hatten sich viele Entwickler bereits abgewandt und hörten gar nicht mehr zu. Einige werden wegen der Stärke des System i wieder zurückkommen, das wird aber – verglichen mit der Zeit vor 15 Jahren – gewaltige Anstrengungen erfordern.

John Siniscal, Lansa: Auf die Gefahr hin, die eisenharten System i Verfechter zu verprellen, denke ich, es gäbe eine Möglichkeit, wie IBM die Plattform vor einem eventuellen Niedergang bewahren könnte. System i und System p sollten zu einer neuen Plattform namens System y verschmolzen werden, die strategisch zwischen den Systemen x und z angesiedelt sein sollte, um die Positionierung im mittelständischen Bereich deutlich zu machen. System y sollte POWER6-basiert sein, mit dem Betriebssystem y/6 (oder wie auch immer IBM es nennen mag) betrieben werden und AIX, Linux und Windows auf Intel-Blades ausführen können.

Wie wir wissen, nutzen die Systeme i und p bereits heute zu 80 % oder sogar noch mehr identische Hardware-Komponenten, und die High-End Boxen können bereits alle vier Betriebssysteme ausführen. Somit dürfte der Schritt zu einem System y für IBM eigentlich keinen großen Technologiesprung mehr bedeuten. Der Kunde kann dieses System dann in der Gewissheit kaufen, ein IBM Mainstream Produkt erworben zu haben, in das auch in der Zukunft noch investiert wird. Sie können die Box verwenden, um darauf Anwendungen unter einem generischen Betriebssystem (z. B. AIX und Linux) oder einem proprietären Betriebssystem (z. B. OS/400 oder Windows) auszuführen. Analysten werden beginnen, wieder gute Dinge über die Plattform zu sagen, und wir müssen uns nicht in jedem Quartal mit den frustrierenden sinkenden Umsatzzahlen beschäftigen. Klingt eigentlich ganz einfach, oder? Was habe ich also übersehen?

Raul Christian Aguirre: Das klingt so wie das, was Dr. Frank Soltis gelegentlich als den „IBM Universal Server“ bezeichnet. Er würde nur zusätzlich auch noch System z Workloads und in der Zukunft auch noch Windows abwickeln wollen, so dass auch noch die Microsoft XBox Spielekonsole über eine Art Windows auf einem POWER Chip betrieben werden kann. Aber er warnt auch davor, dass der Benutzerkreis der beiden Systeme sehr unterschiedlich ist, einerseits mehr technisch (die Unix-Gemeinde) und andererseits mehr an den Vorteilen des Systems für das Unternehmen interessiert. Ich denke, dass aus ökonomischer Sicht zukünftig kein Weg daran vorbeiführen wird, in einem ersten Schritt zumindest die Systeme i und p zusammenzuführen.

Jared Johnson, Faxstar: Der große Schritt in eine andere Richtung ist: Aufbau von Geschäftsbeziehungen. IBM hat kaum Anstrengungen unternommen, andere Anbieter einzuladen, mit ihnen zusammenzuarbeiten oder sie in sensible Geschäftsbeziehungen einzubinden. Es war bereits vor Jahren offensichtlich, dass der PC in der Lage war, bestimmte Funktionen besser, billiger und schneller auszuführen, wobei die Zuverlässigkeit allerdings immer in Frage gestellt werden musste. IBM antwortete darauf mit OS/2. Schließlich kann IBM eben alles besser entwickeln als irgendjemand sonst auf der Welt. Sieht man aber heute, dass TWINAX der Vergangenheit angehört und jedes Unternehmen PCs für alle möglichen Dinge einsetzt, warum sollte man da nicht auf eine enge Partnerschaft mit Apple oder Microsoft hinarbeiten? Warum nicht das Loblied auf SAP oder andere großer Anbieter singen? Warum wurde ein solcher Weg nicht beschritten? Wegen der wenigen, die so pro IBM eingestellt waren, dass, wenn sie sich in den Finger stachen, tiefblaues Blut hervorquoll? Für jede tiefblaue Entscheidung, die IBM vermeiden würde, würden 100 neue Kunden heranmarschieren.

Sokrates Koutounidis, Vision: Viele langjährige Nutzer der System i Technologie sind frustriert von der mangelnden Unterstützung, die IBM der Plattform zuteil werden lässt. Vielen System i IBMern ist die Nutzenaussage des Systems sehr wohl bewusst, aber sie erhalten nicht die Unterstützung, die erforderlich wäre, um die Plattform zu retten. Eine der besten Präsentationen, die ich von einem IBMer gesehen habe, verglich das System i mit der Nutzenaussage von Apple. Es ist im Grunde amüsant, dass Apple einen Weg gefunden hat, sich selbst gegenüber Windows zu positionieren (in einfacher und klarer, für jedermann verständlicher Weise), wogegen die von IBM für Marketing aufgewandten Millionen von Dollars nur in der Lage waren, eine Markenpositionierung im Stile von „Bist Du etwas Besonderes?“ zu erwirken, die sich offensichtlich überwiegend auf Services konzentrierte. Der wirklich andere Weg wäre gewesen, die Plattform in ihrer Einmaligkeit mit einer deutlichen Vorteilsdarstellung und Abgrenzung zu Unix, Linux oder Windows zu vermarkten.

Bei der Markteinführung der AS/400 wurde eine Marktpositionierung abgegeben, die von keinem anderen System erreicht werden konnte. Sehen wir uns die Positionierung bezüglich der Integration an, so ist diese nach wie vor stark, obwohl das nicht besonders dargestellt wird. Andere Dinge, wie das Fehlen einer grafischen Benutzeroberfläche, führten dazu, dass die Plattform alt und ausgelaugt wirkte. Die Unterstützung, die IBM dem System i zuteil werden ließ, war nicht konsistent, und so haben sich einige der größten ISVs anderen Plattformen zugewandt. Es existiert überdies heute ein wirklich ernstes Personalproblem, von dem ich glaube, dass es eines der größten Probleme der Plattform darstellt. Kaum ein Unternehmen wird ein System kaufen, für das kaum noch Leute verfügbar sind, die es betreiben können. Nur IBM allein wird in der Lage sein, diese Probleme zu lösen, die zum großen Teil durch eigene Versäumnisse um diese Plattform herum entstanden sind.

Übersetzt und für den deutschsprachigen Markt überarbeitet von Joachim Riener.
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